Latz-Rocky - 30.12.2010 19:11
Euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr und wie immer viel Spaß beim Lesen der Geschichte. Was schon etwas komisch, mittem im Winter die Sommerfortsetzung zu schreiben. Alles Gute und liebe Grüße, Latz-Rocky
Maurice ging mit mir ins Haus, Mama und Papa blieben draußen bei Opa Fritz. Er hat schon seit Jahren eine altes, kleines Fachwerkhaus mit einem riesen großen Grundstück dabei. Dort hatte er zwei kleine Kammern für uns vorbereitet: Eine größere für Mama, Papa und meine Schwester und eine kleine für Maurice und mich. Etwas improvisiert mit zwei Matratzen auf dem Fussboden, aber da Mama, Papa und meine Schwester nur bis zum Geburtstag morgen bleiben und dann wieder mit dem Auto nach Hause fahren, dürfen wir ab Montag in das große Zimmer mit richtigen Gästebetten drinn.
Maurice stöhnte „Ganz schön warm hier – hätte ich nicht gedacht!“ „Ist doch klar, Du in langer Hose und Pullover. Zieh Dir mal was anderes an!“ sagte ich. „Du hast doch wohl hoffentlich an Deine kurze Lederhose gedacht? Oder durftest Du sie doch nicht mitnehmen?“ „Doch, doch. Alles in Ordnung! Hast Du auch meine Hosenträger mit?“ „Natürlich sagte ich“ und fing an meine Tasche langsam auszupacken.
Ich gab Maurice seine – ähm meine – Hosenträger und er packte auch seine Tasche aus. Wir taten alles in den Schrank, den Opa für uns leer geräumt hatte. „Komm“ sagte ich „zieh doch auch Deine Lederhose an!“ „Meinst Du wirklich? Nicht, dass Deine Mama meckert!“ „Was hast Du mit meiner Mama zu tun? Es ist warm genug für ‘ne kurze Hose – oder hast Du noch was anderes kurzes mit?“ „Nee,“ sagte er. „Nur die Sachen, die ich an hab, meine Latzjeans, den Adidas-Pulli und mein altes, rotes T-Shirt.“
Mit etwas zögern schlüpte Maurice in seine Lederhose und sein rotes T-Shirt. Zuvor hatten wir die alten Trägerchen von Fraukes Lederhose, die ich ja schon auf der Hinfahrt angezogen hatte an seine Hose gemacht. Er sah einfach traumhaft knuddelig aus – und in der Tat, die Trägerchen saßen eng, aber passten. Nachdem wir alles verstaut hatten, liefen wir wieder nach draußen.
Mama konnte sich natürlich auch nicht verkneifen, über Maurice abzulästern: „Hast Du das olle Teil doch mitgenommen? Ich dachte, die wäre mit im Müllsack verschwunden? Naja, halt eben noch ein Teil mehr, was am Freitag mit in den Sperrmüll kann – nicht wahr, Fritz? Ich kann mich ja auf Dich verlassen, dass Du Dich darum kümmerst, dass Sandra ihre alten Lumpen endlich mit wegwirft, oder?“
Ich dachte, ich höre nicht richtig. Sperrmüll klang ja an sich ganz spannend, aber meine Sachen darin zu entsorgen kommt überhaupt nicht in Frage. „Wieso Sperrmüll?“ fragte ich neugierig. „Nun weil Opa nächste Woche ein neues Schlafzimmer bekommt und vorher das alte raus muss und am Freitag im Sperrmüll landet. Und bei der Gelegenheit kann er die alten Reisetaschen und Deine Klamotten direkt mit entsorgen. Da will ich zu Hause nichts mehr von sehen!“
„Ach,“ sagte Opa. „Nu sei mal nicht so traurig – erst mal sehen, was Du so alles an Latzhosen mitgebracht hast. Die kannst Du die ganze Woche über noch anziehen. Und wenn ich denke, dass sie noch in Ordnung sind, werde ich mit Mama nochmal reden, dass Du sie behalten darfst. Aber nachdem was Mama mir so erzählt hat, sind die wirklich nicht mehr die besten. Kannst ja heute Abend mal ‘ne kleine Modenschau machen und zeigen, was Du so alles mitgebracht hast!“
Na toll, dachte ich. Mama und Opa hatten sich also abgesprochen und Opa soll mich nun die ganze Woche belatschen mich von meinen Latzhosen zu trennen. Und dann auch noch Sperrmüll – das alte Schlafzimmer zerlegen und entsorgen werden Maurice und ich mit viel Spaß erledigen aber meine Sachen bleiben meine Sachen und die nehme ich wieder mit. Wenn schon, dann bekommt sie irgendwann Sylvia von Altkleiderladen, aber nicht so. Innerlich war ich schon etwas sauer – sollte mein Lieblings-Opa zum Hass-Opa mutieren? Nein, mal abwarten wie die Woche so wird. Zum Glück fahren Mama und Papa ja morgen nach der Geburtstagsfeier wieder nach Hause und Maurice und ich sind die Woche mit Opa allein. Dann funkt Mama jedenfalls nicht dazwischen.
Oder vielleicht doch? Was ist, wenn sie uns nächste Woche doch abholen und wir nicht wie besprochen mit dem Zug nach Hause dürfen? Und was, wenn ich meine Lieblingssachen wieder mit nach Hause nehme? Was wird Mama dann sagen? Was wird sie dann machen? Im Moment hatte ich jedenfalls den Eindruck, sie hätte mich nur zum Klamottenentsorgen eine Woche zu Opa Fritz gelassen.Ich bekam mehr und mehr schlechte Laune und versuchte das Thema Klamotten zu vermeiden, aber Mama tat durch permanentes Lästern dazu bei, dass meine Laune immer schlechter wurde. Mit anderen Worten: Sie nervte inzwischen nur noch.
Inzwischen waren auch Oma und Opa eingetroffen. Oma ist noch sehr rüstig und fährt noch mit dem Auto, Tja, halt noch jemand mehr, der gleich fürchterlich über unsere Klamotten ablästern wird. Hoffentlich darf ich morgen zur Geburtstagsfeier wenigsten das anziehen, was ich möchte. Meine Stimmung war auf dem Tiefpunkt. „Hallo Sandra!“ begrüßte mich Oma. „Hast Du schon wieder diese olle Lederhose an? Ein Glück, dass sich das Thema ab Freitag endgültig erledigt hat – zieh lieber Dein Dirndl an, wenn Du schon was bayrisches anziehen musst!“
Opa stand nur daneben und grinste. „Ja, ja, die Frauen halt. Ich find die Lederhose total klasse. Richtig knackig für das junge Mädel!“ „Du denkst auch nur wieder an das eine“, meinte Oma. „Deinen Geschmäck werde ich nie verstehen!“ Ich Omas allerdings auch nicht und war froh, neben Opa Fritz auch Opa als Verbündeten zu haben.
Und so verbrachten wir den ganzen Nachmittag draußen im Garten, tobten mit Opa’s Hund, aßen leckeren Erdbeerkuchen und tranken leckeren Kaffee. Maurice und ich hatten richtigen Spaß in unseren kurzen Lederhosen und unseren Opa’s gefiel es sichtlich und sie amüsierten sich darüber, dass Mama und Oma die ganze Zeit am Lästern waren. Langsam wurde es kühler um nicht zu sagen, auf einmal richtig kalt.
„Sandra, Maurice, kommt Ihr mit zum Bahnhof? Wir müssen noch jemanden abholen? Ist nur ein kurzer Fussweg über den Hügel dort, ‘ne knappe halbe Stunde aber dort ober ist es etwas kälter als hier. Am besten ist, Ihr zieht Euch kurz was anderes an! Ihr wolltet doch eh eine kleine Modenschau machen, also zieht Euch mal um!“ meinte Opa Fritz lächend.
„Ist Ok“, sagten wir und liefen ins Haus. Maurice wurde traurig. „Was ist denn?“ fragte ich neugierig. „Ich hab‘ doch nur eine Latzhose mit – da kann ich doch gar nicht wirklich mit machen!“ sagte Maurice grummelig. „Naja, immerhin hast Du noch eine. Womit fangen wir an?“ „Na, dann sind wir jetzt mal das Latzhosen-Päärchen! Ich zieh meine Latzjeans und meinen grau-gelben Lieblings-Adidas-Joggerpulli an!“ sagte er
Ich zögerte kurz und fragte dann Maurice „Was hast Du denn für ‘ne Jacke mit?“ „Meine Adidas Regenjacke – so eine, wie Du auch hast!“ „Prima“, sagte ich. „Die hab ich auch mit!“ Also zog ich meine Lederhose aus, meine blaue Latzjeans die ich von Oma zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte an und darunter meinen lila Kapuzennicki. „Passt perfekt!“ sagte ich zu Maurice. „Na hoffentlich sehen Deine Mama und Deine Oma das genau so!“ In der Zwischenzeit hatte Maurice sich auch umgezogen und wir zogen uns die Regenjacken an und gingen nach draußen. Beim Rausgehen taten wir so, als wären wir auf dem Laufsteg,drehten uns, machten zunächst unsere Jacken langsam auf, zogen sie dann aus und schwungen sie leger über die Schulter.
Von Papa, Opa und Opa Fritz gab es tosenden Applaus. Meine Schwester sagte garnichts und Mama und Oma lästerten: „Das Rote-Kreuz präsentiert: Die Altkleider-Kollektion des Jahres. Erst von drei Kindern getragener Kapuzennicki in lila mit ausgeleierten Bündchen, darüber eine zu enge, verwaschene Latzjeans der Marke „TrägtDochEhKeinerMehr“ und dazu eine Regenjacke die nur noch für Schönwetter taugt! Und für ihn aus der Resteverwertung: Joggerpulli in langweiligem Grau mit deutlichem Peeling von Adidas. Und das Ganze zum attraktiven Kilo-Preis!“
Großes Gelächter. Mama hätte wirklich Ansagerin im Fernsehn werden können. Aber auch Maurice und ich nahmen es mit Humor. Ich war schon gespannt, wie Mama meine anderen Sachen ansagen würde. Und so spazierten Opa, Opa Fritz, Maurice und ich los zum Bahnhof.
Nach einer guten Dreiviertelstunde waren wir dort angekommen und wer wartete schon auf uns: Roter Igelschnitt mit kurzen Schwänzchen hinten, blaue Latzjeans (aber nicht die vom letzten Mal), einen knallroten Kapuzenpulli locker um den Bauch gebunden und einen Rucksack auf dem Rücken: Es war Elly, sie hatte sich früh morgens alleine in Friesland auf den Weg gemacht und war mit zweimal umsteigen endlich angekommen. Was für eine Überraschung!