Wie seid Ihr zu euren Latzhosen gekommen und tragt ihr täglich Latzhosen.
Moin Latzhosenseven,
bei mir ging das auch los, als ich noch Schüler war. Irgendwann stand eine neue Jeans an, also bin ich mit meiner Mutter (war damals so üblich) in den örtlichen Jeans-Shop und dort war neben den üblichen Jeans unter anderem eine Latzjeans zu haben. Ich hatte Latzjeans vorher schon gesehen, sie aber nicht für mich in Betracht gezogen. Ein Mädchen in der Klasse hatte eine, und in der hatte sie einen ansehnlichen Hintern. Naja, Pubertät, damals. Ich aber war zu der Zeit eine dürre Bohnenstange, und diesmal fand sich nichts wirklich passendes bei den normalen Jeans. Ich hab' dann aus irgend 'ner Eingebung heraus gesagt, dass ich ja mal die Latzhose probieren könnte, und die passte dann überraschenderweise einwandfrei, naja, ein wenig baggy vielleicht, aber das war okay.
Meine Mutter hat etwas gezögert, weil die natürlich teurer als geplant war, und ich musste versprechen, sie dann auch wirklich anzuziehen, und nicht im Schrank vergammeln zu lassen, es wäre schade um das Geld.
Das hab' ich dann versprochen, aber war gar nicht nötig: Das war 'ne super Hose, und ich habe die bei jeder Gelegenheit angezogen, das wurde sofort mein Lieblingsteil, auch wenn ich der einzige Junge in der Klasse oder sogar der Schule war, der eine trug. Irgendwann war sie an den Knien und hinten durch, da wurde sie dann geflickt und nur noch zum Fahrradreparieren und sowas angezogen, denn kaputte Hosen waren nicht akzeptiert. Naja, ich hab'sie dann bestimmt nicht immer direkt nach dem Schrauben ausgezogen ... aber irgendwann war sie dann auch zu klein.
Ich habe dann noch mal eine neue Latzjeans bekommen, aber die war lange nicht so gut. Die Erste lag dann in der Plünnenkiste, bis meine Schwester ein Praktikum auf einem Bauernhof in der Nähe machen wollte, dafür war sie perfekt, und wurde wieder rausgeholt und noch mal geflickt. So wurde sie dann auch die Lieblingshose meiner Schwester, und im Laufe der Zeit (das Praktikum meiner Schwester entwickelte sich zum Nebenjob, dann zur Lehre) noch mehrere Male immer großflächiger geflickt, was im rustikalen Umfeld scheinbar denn doch wieder akzeptabel war, bis es wirklich gar nicht mehr ging. So wirklich hergeben wollte sie die Hose aber auch dann nicht. Sie hat sie glaube ich noch jahre- wenn nicht jahrzehntelang aufgehoben. "Für den Garten!"
Ich habe immer versucht, mal eine gleichwertige Hose zu bekommen, aber die war nirgends zu finden, oder immens teuer. Irgendwann habe ich dann mal eine Lee gefunden, die mir würdig erschien, im Schlussverkauf oder sowas, und weil die Diskussion mit meinen Eltern wohl länger gedauert hätte, als das wirklich günstige Angebot, musste dann das vom Taschengeld gesparte herhalten. Also hatte ich jetzt diese Lee, eine gestreifte. Durch glücklichen Zufall (Jemand hat einen Topf rote Farbe ganz oben aus dem Regal auf mich fallen lassen, und damit alle meine Klamotten eingesaut, wofür seine Haftpflicht gezahlt hat, aber die Klamotten, insbesondere die Lee, waren noch zu retten.) hatte ich Gelegenheit, eine weitere Lee zum regulären Preis dazu zu kaufen, so dass ich jetzt wechselweise die eine oder andere anziehen konnte. Die Lees waren in der Tat würdige Nachfolger: Mit hohem Latz vorn und hinten, weitem Bein und überdurchschnittlich großen Taschen waren das richtige "Wohnhosen".
Das hat dann noch lange funktioniert, bis ich Student war, und Latzhosen nicht mehr wirklich "in", aber ich habe sie immer noch regelmäßig angezogen. Irgendwann bin ich aber rausgewachsen, ich glaube, das war Größe W32/L36 oder sowas, und als erwachsener Mann wurde ich doch irgendwann kräftiger als das.
Zu der Zeit waren Latzhosen dann bereits völlig "out" und ich habe keine mehr gekauft, hätte auch nirgendwo eine bekommem können, bin dann drüber weggekommen. Naja, Ausnahme war eine Latzhose, die ich bei dreckigen Arbeiten angezogen habe, klassischer "Blaumann", aber in Grün. Als der hinüber war, gab's Ersatz, aber wieder eher pragmatisch, allerdings aus Denim. Die habe ich recht lange gehabt, aber nie so eine Beziehung dazu aufgebaut. Die hatte auch nicht die dafür nötigen Eigenschaften.
Später habe ich für dreckige Arbeiten immer Kombis gekauft, die schützen eben doch noch mehr gegen Dreck und Späne, und Latzhosen aus dem Blick verloren.
Die Sache bekam eine Wendung, als ich bei einem Besuch in Norwegen die dort schon populären, bei uns aber 100% unbekannten Onepiece gesehen habe. Das erschien mir wie etwas, das ich schon immer haben wollte: Zieh ein Teil an, und du bist bequem angezogen! Wie geil war das denn? Also her mit so 'nem Teil, und am liebsten gar nicht mehr ausgezogen. Aber hier in Deutschland war das nicht so einfach, damit irgendwo hinzugehen. Bäcker ging ja noch, Kneipe gerade so, zum oder nach dem Sport war irgendwie erklärbar (Sporttasche), aber darüber hinaus wurde es komisch. Hab dann noch eins gekauft, von Lazzy, das war auch super, und später noch welche, aber alles eher für den Hausgebrauch. Beim Camping waren die Teile auch super, besonders wenn es nachts frischer wurde (Ich campe mit Campingbus zu (fast) jeder Jahreszeit), und so bin ich auch noch zu Strampel-Schlafanzügen gekommen, erst ohne, dann mit Füßen dran und aus Fleece.
Das gab eine bis dahin unbekannte Dimension von Komfort, und den Konflikt, dass man das alles nur privat haben konnte, nicht wirklich öffentlich, zumindest nicht ohne nervige Diskussionen. Onepiece hat dann angefangen, die Onesies modischer und schicker zu machen, mit raffinierteren Schnitten, Zitaten aus der aktuellen Mode oder Filmen, nicht ganz so schluffig. (Erzähl mit keiner, dass der Onepiece Berzerk Jumpsuit nicht von den Avengers inspiriert war!) Das habe ich gerne mitgenommen, und einige gingen ganz gut, aber sie haben diese eher experimentelle Linie dann schnell wieder aufgegeben und sich aufs Kerngeschäft "Onesie" konzentriert. Schade.
Im Resultat habe ich angefangen, nach formal akzeptablen Overalls zu suchen, die eine ähnliche Einfachheit auch "außer Haus" bieten würden, aber ohne deshalb überall anzuecken. War erst nicht einfach. Was es gab, war oft kläglich geschnitten, von dem echten Leben wirklich komplett entrückten Designern entworfen, überteuert, oder für Pygmäen gemacht. Vielleicht hat mir diese kleine Renaissance des Jumpsuits auf den Laufstegen da aber trotzdem geholfen, jedenfalls fand ich im Laufe der Zeit einige, die tragbar waren (zuerst nur lang-, dann auch kurzbeinig), und habe angefangen, die Dinger wie normale Kleidung zu tragen, und damit überall hin zu gehen, einschließlich Büro. Man gewöhnt sich sehr schnell daran, denn es ist einfach und es ist bequem. Zieht man dann mal wieder normale Hosen an, merkt man erst, wie übel die am Bauch kneifen können. Ich habe da so eine schwarze G-Star Stretch-Denim Jeans mit ziemlich engem Bein und -zig Taschen dran, die zwar cool ist, aber immer runterrutscht, wenn man den Gürtel nicht gut fest hat. Weil das nervte habe ich glatt ein ebenfalls paar schwarze fette 5cm breite Hosenträger gekauft, damit ich im Stil blieb und trotzdem den doofen Gürtel weglassen konnte. Das war dann zwar deutlich angenehmer, aber irgendwie auch nicht zu allen Gelegenheiten optimal.
Erst das hat aber den Bogen zurück zur Latzhose geschlagen. Wenn schon Hosenträger, dann doch gleich richtig: Latzhose!
Also habe ich mal die Augen offen gehalten und bei Gelegenheit eine Latzhose gekauft, eine Carhartt, die echt super ist, aber für jeden Tag denn doch zu heftig, also gab's noch eine weniger auftragende skinny Latzjeans dazu. Dann kam nochmal Ab- bzw. Schlussverkauf, da habe ich beides noch mal günstig in anderer Farbe erwischt.
So bin ich also jetzt nach so langer Zeit wieder bei Latzhosen gelandet.
Das heißt nicht, dass ich ab sofort nur noch Latzhosen tragen werde. Ich werde auch weiterhin Overalls/Jumpsuits und auch normale Klamotten tragen, aber Latzhosen sind für mich jetzt wieder eine Alternative, für die ich mich jeden Tag entscheiden kann, wann immer mir danach ist.
Beste Grüße.
