Hi Bib-Oldie.
Die Sache ist einfach: Ich hatte damals als Schüler schon das Hobby, Modellflugzeuge zu bauen, und die wurden mit kleinen Verbrennungsmotoren angetrieben, die denen der Mofas meiner Mitschüler nicht unähnlich waren, nur kleiner. Ich hatte aber kein Geld, also habe ich ausgelutschte Motoren von den 'alten Säcken' geschnorrt, und diese im Keller wieder aufgemöbelt und natürlich 'frisiert'. Dabei habe ich einiges gelernt.
Ein Mitschüler aus der direkten Nachbarschaft, mit dem ich oft gebastelt habe, hatte dann ein Mofa geerbt, ein total uncooles, gebrauchtes. Damit konnte er sich natürlich nirgends sehen lassen. Da reifte der Gedanke, das olle Ding zu tunen, man konnte ja nicht viel verlieren. 2 Wochen später war die olle Gurke das schnellste Mofa im Stadtteil. Dank für damalige Zeiten eher exotischer Teile wie Resonanzauspuff, ausgedrehtem Schiebervergaser und sehr viel Auffüllung und Glättung in den Kanälen konnte man damit jedenfalls viel schneller fahren, als gesund für einen war, und schneller, als jede Hercules-Mofa in der Stadt. Das hat uns einen gewissen Ruf eingebracht, und Folgeaufträge. Plötzlich waren auch französische Mofas cool.
Ich kannte zu der Zeit Latzhosen eigentlich nur als Arbeitskleidung. Der Vater eines Freundes hat uns Jungs gelegentlich für ein paar Mark angeheuert, um Aushilfsarbeiten zu machen. Mal ein Loch graben, mal Schrott sortieren oder Laub wegmachen. Der hatte einen Installationsbetrieb, und damit es keinen Ärger mit den Eltern gab, bekamen wir von ihm immer irgendwelche alten blauen Latzhosen für diese Aktionen, die für seine Gesellen nicht mehr gut genug waren. Erst danach habe ich entdeckt, dass es neuerdings Latzhosen auch aus Jeansstoff gab.
Naja, das nur zur Vorgeschichte.
Die Zeit vom Kauf der ersten Jeans-Latzhose bis zum ersten Mal in der Schule kann eher in Stunden gemessen werden, als in Tagen. Meine Mutter hat sie mir gekauft. Ich hatte schon zuvor ein Auge darauf geworfen, im Schaufenster von einem Laden in der Nähe, und als dann tatsächlich eine neue Jeans anstand, meine Mutter zielgerichtet in eben diesen Laden dirigiert. Bei der Anprobe gab es einen ähnlichen Effekt, wie Du ihn auch schon beschrieben hattest: Das war eine ganz andere Art von Hose, die nicht irgendwie unten um einen rum hing, sondern die man ganz und gar anhatte, wie so eine Art Wohnhose, aber dabei noch mal völlig anders als diese schlabberigen Arbeitslatzhosen. Grandios, und ich wollte dann nur noch diese, konnte zum Glück meine Mutter überzeugen, denn sie war natürlich teurer, als eine normale Jeans. Allerdings musste ich versprechen, sie mindestens ebenso oft anzuziehen, wie ich sonst eine Jeans angezogen hätte, was mir natürlich in dem Moment der Begeisterung ziemlich leicht fiel. Dass sie etwas weiter war, kam dem Sparbewusstsein meiner Mutter entgegen (Der Junge wächst ja noch!), und so wurden wir uns einig. Klar wuchs der Junge noch, und irgendwann kam der Tag, an dem die Latzhose nicht mehr wirklich weit war, aber das hat seine Zeit gedauert, und die Hose wuchs auch ein wenig mit, glaube ich.
Ich bin dann gleich am nächsten Tag damit in die Schule. Klar war das erstmal ungewohnt, und eine gewisse Unsicherheit war dabei, aber ich wollte ja diese Hose, also habe ich das durchgezogen und bin damit einfach so durchgekommen. Es hat sich gezeigt, dass niemand, dessen Meinung ernsthaft interessant war, was dagegen sagte, und speziell meine Mitschülerinnen das eher gut fanden. Christine, Sabine, Birgit und Iris (ja, so konnte man damals heißen!) hatten auch bald welche. Martina hatte vorher schon eine, und dann war da noch Bianca, die diesen wirklich nicht zu weiten hellbraunen Denim-Overall hatte, mit der niedlichen gestickten Applikation oberhalb der linken Brust, die nicht zu klein war, und der allerdings vollkommen unerreicht jenseits aller denkbaren Konkurrenz war. Irgendwo muss es noch ein entsprechendes Klassenfoto geben ...
Erst die nächste, die schon erwähnte Cord-Latzhose, habe ich vom Taschengeld gekauft: "Junge, du hast doch schon eine!" ;0)
Auch alle weiteren Latzhosen habe ich dann später vom Taschengeld oder erjobbtem Geld gekauft.
Als ich studieren ging, hatte ich dann eine Lee mit Hickory Stripes. Wir waren die Babyboomer, und Zimmer waren rar. Da mein Kumpel und ich Handwerklich begabt waren, haben wir uns zusammengetan und eine ziemliche Bruchbude gemietet und erstmal renoviert. Für sowas war die Lee Latzkose natürlich zu wertvoll. Also habe ich irgendwoher aus einer Lumpenkiste im Kohlenkeller einen ollen Blaumann gefunden, den ich dabei angezogen habe, aber es war Sommer, und das Ding viel zu warm und zu weit. Also habe ich mit der Tapetenschere Ärmel und Beine abgeschnitten, Gürtel drum und gut. Das muss so '82 gewesen sein. Jedenfalls wurde das Teil während der ganzen Renovierung getragen, hat sich dabei irgendwie bewährt. Es wurde danach in die Kochwäsche geworfen, aus der es überraschenderweise fast vollständig sauber, cool verwaschen und ein wenig weniger weit hervorging. Ich hab' dann tatsächlich noch die Grob-Schnitte als Saum umgenäht und es später beim Modellebauen oder Autoschrauben und auch einfach so angezogen, weil es so verdammt bequem war, und irgendwie auch cool, auf seine eigene mir-doch-egal-Weise.
Es hat dann weitere 25 Jahre oder mehr gedauert, bis wieder jemand auf diese Idee gekommen ist. Zuvor musste jedoch das WWW erfunden werden, um auch einen ordentlichen Hype daraus zu machen. ;0)