Ein Freund lud mich mal als Reserve-Trauzeugen zu seiner standesamtlichen Hochzeit. Er sagte, ich könne sogar in der Latzhose kommen, ihm sei nur wichtig, dass ich da sei. Ich kam in einer normalen Jeans und wunderte mich, wie elegant alle anderen angezogen waren. Noch mehr wunderte mich, wie pathetisch der Standesbeamte daherredete. Eine Heirat ist doch heute eine normale Amtshandlung, so wie wenn man einen Wohnsitz meldet oder einen Reisepass beantragt. Da hält der Beamte doch auch keine pathetische Ansprache, sondern er kassiert die Gebühr, gibt seinen Stempel auf das Formular und nächster bitte. Früher war eine Heirat noch was anderes, der Bund fürs Leben, es gehörte immer auch eine kirchliche Hochzeit dazu, mit Brautkleid und ganzer Verwandschaft und Festessen und Flitterwochen. Heute macht das kein Mensch mehr, die Ehe ist kein Bund fürs Leben mehr, man heiratet, lässt sich scheiden, heiratet wen anderen, lässt sich wieder scheiden, und viele heiraten überhaupt nur noch wegen der Mitversicherung oder für eine Aufenthaltsbewilligung. Mich würde interessieren, ob es bei Scheidungen genauso pathetisch zugeht, aber leider hab ich damit keine Erfahrung, ich war noch nie als Scheidungszeuge geladen.
In vielen Jobs gibt es halt Kleidervorschriften oder Uniformen !
Eben, Anzug und Krawatte sind eine Büro- und Manageruniform, und eine Uniform trägt man dann, wenn man dafür bezahlt wird. Früher war das noch anders, da war die Krawatte ein normales Kleidungsstück. Mein Vater ging nie ohne Sakko, Krawatte und Hut aus dem Haus. Damals gab es halt noch keine elastischen Materialien, auch der Zipp ist eine relativ neue Erfindung. Die Krawatte war sogar mal fortschrittlich, denn noch früher ging man mit Halstüchern, davor waren Halskrausen in Mode. Und von der Damenmode (Reifröcke...) brauchen wir gar nicht erst reden. Frauen sind heute, was die Kleidung betrifft, i.a. weniger verkrampft als Männer, aber sie quälen sich mit Stöckelschuhen genauso wie wir Männer mit Krawatten. Was wir brauchen, ist eine neue Französische Revolution, wo mit der Krawatte genauso aufgeräumt wird wie 1789 mit den Culotten.